Sagenstark. Neue Sagen aus der Schweiz. Herr Renfers Seele wandert

Herr Renfers Seele wandert

Ich kann erst heute darüber sprechen.
Als Buben schauten wir die Fussball-Länderspiele immer bei Herrn Renfer vom ersten Stock. Bei ihm durften wir so richtig toben, wenn es Tore gab. Und auch sonst. Eines Tages, die Schweiz war gerade in Rückstand geraten, erstarrte Herr Renfer in seinem grünen Sessel und bekam einen leeren Blick. Seine Augen waren weit geöffnet, ebenso sein faltiger Mund. Wir sagten: Hallo, Herr Renfer! Aber er rührte sich nicht.

Herbie flüsterte, wir müssen es Frau Wohlgroth sagen, vielleicht ist etwas passiert, ein Herzinfarkt oder so. …weiterlesen

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Der Lindwurm

Sie spazierte zur Linner Linde und schaute übers Land. Auf der gegenüberliegenden Hügelkette ragte die Habsburg aus dem rotgoldenen Herbstwald. Die Abendsonne liess die Farben geradezu explodieren. Die Ruine stand wie erloschen in diesem Feuer.

Alles war übers Jahr gekeimt und gereift und schien nun in Flammen zu stehen. Alles ausser der Burg und ihr selbst. Der Schatten der Linde legte sich auf sie. Sie setzte sich auf eine Bank. Bald würde die Sonne untergehen und unten im Tal die Lichter angehen. Jetzt schon sah man vereinzelt, wie im Wald auf der anderen Talseite die Lichter eines Autos nach dem Weg spähten. …weiterlesen

Der verbotene Weg

Der Rheinuferweg war mir verboten. Zu gefährlich. Mein Grossvater mied ihn. Es sei dort vor langer Zeit etwas passiert. Man könne deshalb in den Rhein gerissen werden, sagte er.

Heute will ich das sehen. Ich nehme den steilen Abstieg, halte mich am Holzgeländer fest. Der Rheinuferweg duckt sich gut verborgen unter Bäume und hinter Sträucher, drei Meter über dem Wasser. Im Morgengrauen steht er fast völlig im Dunkeln. Es riecht feucht. Auf der deutschen Seite an der Böschung stehen hohe Bäume, von einigen sind nur kahle Äste geblieben. Ich gehe vorsichtig nach links.

Plötzlich höre ich die Stimme …weiterlesen

Die törichte Frau

Eine Frau wohnte mit ihrem Mann und den Kindern in einem kleinen Haus am Fuss des Albis im Aeugstertal. Das Haus stand mitten in einem grossen Bungert, wo Apfel-, Zwetschgen- und Chriesibäume jedes Jahr reichlich Obst trugen. Die Frau sagte von sich, dass sie zu niemandem unfreundlich sein und niemandem etwas ausschlagen könne. Das stimmte in gewisser Weise auch.

Klopfte die Nachbarin an die Tür und bat um eine Handvoll Klaräpfel für Apfelmus, so antwortete die Frau: «Nehmen Sie so viele aus dem Hurdeli, wie Sie brauchen, und suchen Sie nur die schönsten heraus, damit das Apfelmus richtig hell wird.» Wenn die Kinder aber aus der Schule kamen, dann wetterte die Frau: «Die Nachbarin war wieder da und hat sich einen ganzen Korb voll Äpfel geholt, nur weil sie zu geizig ist, Äpfel zu kaufen, und zu faul, selber einen Baum zu ziehen. Schaut, dass ihr euch nie auf Kosten anderer den Bauch vollschlagt!» Die Kinder, die nach einem hellgrünen Apfel hatten greifen wollen, liessen ihre Arme sinken. Sie hatten keinen Hunger mehr.

Einmal nahm die Frau gerade einen Chriesiauflauf aus dem Ofen, als ein Freund des Mannes ins Haus trat. …weiterlesen

Sagentark | Gold im Fricktal

Gold im Fricktal

Als die Grenze zwischen Vorderösterreich und Bern im Fricktal verlief, stand an der Strasse zum Bözberg ein Gasthaus mit Ställen für Zugpferde. Jeder Reisende hielt gerne an, um sich mit einer Suppe zu stärken oder um dort zu übernachten. Eine freundliche und warmherzige Frau führte den Hof. Sie fand für alle Hungrigen und Müden ein gutes Wort. Sie empfing diese, wenn sie in den Hof einbogen und …weiterlesen

Meidpass Sagenstark

Der Kentaur vom Meidpass

Von St. Niklaus fährt eine kleine Gondel hinauf nach Jungen, von wo aus ein Weg über den Augstbordpass ins Turtmanntal führt. Die Gondel schwankte in schwindelerregender Höhe. In ihr sassen ein deutsches Ehepaar, das sich in bewundernden Ausrufen über die Viertausender erging, und Rolf Schnell. Er war blind und taub für die Schönheit der Natur. Tags zuvor war er beim Verwaltungsrat mit seinen Vorschlägen zur Sanierung der Firma abgeblitzt. Am Montag würde er Kurzarbeit einführen müssen. Da hatte er entschlossen, übers Wochenende in die Berge zu fahren, um …weiterlesen

Sagenstark. Titelbild. Die Ungläubigen vom Höllchöpfli

Die Unglücklichen vom Höllchöpfli

Von Rumisberg hat man eine schöne Weitsicht über das Mittelland bis zu den Alpen. Etwas oberhalb des Dorfes, am Weg zum Höllchöpfli, stand einst ein Hof, wo ein Bauer mit seiner Frau und einem Kinde wohnte. Man hörte ihren schönen Gesang, wenn sie sonntags über die Weiden zur Kirche ins Tal hinunter gingen.

Bevor das Kind sein zehntes Jahr vollendet hatte, kam Unheil über die Familie. …weiterlesen

Sagenstark | Der Hase am Kreisel

Der Hase am Kreisel

Früher als sonst machte sie sich auf den Weg zur Arbeit. Der Morgen dämmerte heran. Vor ihr breitete sich das weite Feld zwischen Aare und Schinznach-Dorf aus, Nebelschwaden tanzten gespenstisch über dem Boden. Im Radio versprachen sie einen milden Frühlingstag, davon war jetzt noch nichts zu bemerken. …weiterlesen

Sagenstark. Titelbild. Der Fels im Wald

Der Fels im Wald

Lange vor den Villmerger Kriegen gab es an der Strasse zum Kloster Frauenthal ein Waldstück, in dem noch nie ein Verbrechen stattgefunden hatte. Ein Mann, der davon nichts wusste, entschloss sich, in jenem Waldstück sein Lager aufzuschlagen. Der Mann aber war nichts anderes als … weiterlesen

Sagenstark | Moderne Sagen

Die Biberfrau

Wie jeden Abend ging er mit seiner Labradorhündin nach draussen. Das Wasser schimmerte im Mondschein. Plötzlich entdeckte er die schlanke, schwarze Silhouette einer Frau auf der Eisenbahnbrücke. Sie beugte sich übers Brückengeländer und starrte ins Wasser. Die Hündin wurde unruhig und bellte heiser. Die Frau fing an, sich auszuziehen. Achtlos wie es schien. … weiterlesen