Sagentark | Gold im Fricktal

Gold im Fricktal

Als die Grenze zwischen Vorderösterreich und Bern im Fricktal verlief, stand an der Strasse zum Bözberg ein Gasthaus mit Ställen für Zugpferde. Jeder Reisende hielt gerne an, um sich mit einer Suppe zu stärken oder um dort zu übernachten. Eine freundliche und warmherzige Frau führte den Hof. Sie fand für alle Hungrigen und Müden ein gutes Wort. Sie empfing diese, wenn sie in den Hof einbogen und verabschiedete sie mit Essensgaben und Geschenken. «So kommt bald wieder», war ihr Gruss. Es kamen auch Arme zu ihr, um sie um Hilfe zu bitten. Sie unterstützte alle mit ihrem Rat und reichlich Gaben.

So kam es, dass das Gasthaus immer belebt war und zu jeder Stunde am Tisch gegessen und getrunken, im Schlafsaal geschlafen und am Trog gewaschen wurde. Es hiess, das Glück auf Erden wohne in jenem Hof vor dem Bözberg.

Eines Sommerabends sass bei den Gästen in der Schankstube ein Händler, den ein Gewitter dazu bewogen hatte, die Nacht vor dem Pass zuzubringen. Die Suppenlöffel klapperten. Regen prasselte auf das Dach. Da kratzte es an die Fensterscheiben. Verwundert öffnete der Händler das Fenster, und herein sprang ein Eichhörnchen. Es lief durch die Schankstube und verschwand durch einen Spalt in die Küche.

Der Händler hörte die Gastwirtin murmeln und spähte durch den Spalt. Sie streichelte das kleine Tier, liess die Ohren durch die Finger gleiten und kraulte es unter dem Kinn. Es hatte rötliches, weiches Fell, ein helles Bäuchlein und auf dem Kopf ein Pelzchen, feiner noch als Seide. Das Eichhörnchen streckte sich und liess der Frau ein Goldstückchen in die Hand fallen. Das blitzte hell auf. «Wie lieb von dir, Fineli», sagte sie, «ich danke dir.» Dann öffnete sie ein Fenster, und das Tier sprang in den Regen hinaus zum nahen Wald.

Der Händler war aufgeregt. Woher mochte das Gold wohl kommen? Als er am nächsten Tag weiterfuhr, dachte er immer noch nur an das Gold. Schon bald kam er zum Gasthof zurück. Wie beim ersten Mal versorgte er sein Pferd, verstaute die Ware und setzte sich in die Schankstube.

Und tatsächlich kam das Eichhörnchen durch das Fenster und schlüpfte in die Küche. Diesmal schenkte es der Gastwirtin ein noch viel grösseres Goldstückchen. Sie strich ihm über den Kopf und lobte es. Der Händler eilte hinter das Haus, und als das Eichhörnchen heraussprang, packte er es. Dann band er ihm eine Leine um den Hals. «Zeig mir, wo du das Gold gefunden hast», sagte er. Es lief sogleich zum Wald.

Nicht lange, nachdem sie den Wald betreten hatten, hielt es inne und erhob beide Vorderpfoten. Da öffnete sich der Waldboden. Ein glutrotes Licht drang aus einer Erdspalte hervor. Der Händler zwängte sich hindurch und zog das Eichhörnchen mit sich. Ein Gang führte zu einer Höhle, die die Länge einer Kirche einnahm. Von den Wänden glühte es hellrot, und ein Knistern erfüllte die Luft. Der Boden war mit glitzernden Steinchen belegt, zwischen denen sich kleine Käfer mit gelb leuchtenden Augen bewegten.

Der Händler band das Eichhörnchen an einer Wurzel fest und ging durch die Höhle. Die hintere Wand war von einem herrlichen Mosaik aus Gold belegt. Jeder Fingerbreit war verziert, und alles strahlte jetzt auf. Da und dort waren einzelne Steinchen zu Boden gefallen, man brauchte sie nur aufzulesen.

Als der Händler dies sah, stiess er einen Freudenschrei aus, doch als er das Gold berührt hatte, begann es in der Höhle zu rumoren. Die Wände bebten. Es knirschte überall. Plötzlich wuchsen die Käfer zu grossen Ungeheuern mit scharfen Klauen. Sie umzingelten den Händler, stiessen vor und zerrissen dann seinen Leib. Darauf verschwanden sie in Löchern, die Höhle brach zusammen, und der Eingang schloss sich für immer.

Die Gastwirtin wartete von da an vergeblich auf ihr Eichhörnchen. Der frohe Mut verliess sie, und damit ging auch ihr Glück verloren. Sie musste den Gasthof bald aufgeben.

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